Ein Chamäleon gilt als Meister der Anpassung. Je nach Umgebung verändert es seine Farbe und kommt sicher durchs Leben. Auch wir Menschen können uns eigentlich von Natur aus relativ gut an Veränderungen gewöhnen und uns anpassen. Dabei sind aber nicht alle Veränderungen und Lebensumstände gleich. Manche geschehen nebenher und dann gibt es wiederum Ereignisse, die sind besonders herausfordernd oder verändern das ganze Leben von einem Moment auf den anderen. Dann kann es passieren, dass unsere Anpassungsfähigkeit an ihre Grenzen stößt und wir mit den bisher hilfreichen Strategien nicht mehr weiter kommen. Das kann zur richtigen Belastung werden und den Alltag unüberwindbar erscheinen lassen. In der Psychologie spricht man in solchen Fällen von einer Anpassungsstörung. Wir zeigen dir, was dahinter steckt und geben Tipps, um deine Anpassungsfähigkeit zu steigern.
Was ist eine Anpassungsstörung?
Bei der Anpassungsstörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung, zu der es durch Belastungen oder einschneidende Lebensereignisse kommen kann. Dabei gelingt es nicht, die eigenen Gedanken und Gefühle sowie das eigene Verhalten der neuen, belastenden oder veränderten Situation anzupassen. Wie ein rotes Chamäleon auf einer grünen Wiese. Betroffene haben in der Folge das Gefühl, mit den alltäglichen Anforderungen nicht mehr zurechtzukommen. Wie sich die Anpassungsstörung genau zeigt, ist jedoch oft ganz unterschiedlich. Während bei den einen eher depressive Verstimmung überwiegen, zeigen sich bei anderen vor allem Angst oder beides zusammen. Wieder andere ziehen sich vermehrt zurück oder erleben Anspannung, Ärger oder sogar aggressives Verhalten.
Auch wenn Menschen mit einer Anpassungsstörung ängstliche oder depressive Beschwerden erleben, liegen nie so viele Symptome vor, dass wirklich eine Depression oder Angststörung diagnostiziert werden kann.
Was sind Ursachen und Auslöser einer Anpassungsstörung?
Die Anpassungsstörung entsteht immer als direkte Folge einer klar erkennbaren, einmaligen oder länger anhaltenden Belastung. Das heißt, ohne diese Belastung würde es auch nicht zur Anpassungsstörung kommen. Dabei handelt es sich nicht um schwer traumatische Erlebnisse, sondern um Krisen und belastende Lebensveränderungen. Das kann das soziale Netz betreffen (z.B. Trauerfall, Trennung, Umzug) oder aber Misserfolge, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und sogar allgemein als eher positiv bewertete Ereignisse wie Elternschaft, Ruhestand oder das Erreichen eines lang ersehnten Ziels. Bei Kindern und Jugendlichen sind oft schulische Probleme Auslöser von Anpassungsstörungen.
Gleiche Krise, andere Reaktion
Aber nicht jeder, der solche Belastungen erlebt, entwickelt auch eine Anpassungsstörung. So haben manche Menschen im Laufe des Lebens genau die Strategien erlernt, die ihnen bei der Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation helfen können. In der Psychologie spricht man von der Widerstandskraft (Resilienz) eines Menschen. Wichtig ist auch, wie wir Ereignisse bewerten. Wenn wir eine Krise als Herausforderung sehen, die wir bewältigen können, dann reagieren wir anders, als wenn wir die gleiche Krise als nicht überwindbare Hürde wahrnehmen. Dabei gilt aber: Wenn mehrere Krisen zusammenkommen und ein Ereignis besonders belastend ist, können auch die widerstandsfähigsten Menschen eine Anpassungsstörung entwickeln.
Was ist eigentlich normal?
Auf belastende Lebensereignisse wie den Verlust eines geliebten Menschen mit Trauer, Hilflosigkeit und Ärger zu reagieren und aus der Bahn geworfen zu werden, ist ganz normal – so schmerzhaft es sich auch anfühlen mag. Diese Erlebnisse dürfen „etwas mit uns machen”. Dabei bezeichnen wir solche Reaktionen als normal, die den Betroffenen trotzdem noch gewisse „Freiheiten” und Möglichkeiten der Alltagsbewältigung geben.
Wann diese Schwelle überschritten ist, ist neben dem Eindruck jedes Betroffenen selbst, oft auch von bestimmten Zeitangaben abhängig. Bei der Anpassungsstörung geht man in der Psychologie zum Beispiel davon aus, dass die Beschwerden innerhalb eines Monats nach einer erlebten Belastung beginnen und nahezu unverändert nicht länger als sechs Monate andauern. Wenn Betroffene vor allem leichte depressive Beschwerden erleben, kann dieser Zustand jedoch bis zu zwei Jahre andauern, um von einer Anpassungsstörung sprechen zu können.
Was du bei der Anpassungsstörung tun kannst
Dass uns belastende Lebensereignisse treffen, suchen wir uns selten freiwillig aus. Meistens kommen diese unerwartet und ohne, dass wir uns auf sie vorbereiten können. Sich an Veränderungen anzupassen, die durch solche Ereignisse ausgelöst und uns sozusagen „aufgezwungen” worden sind, kann besonders schwerfallen. Wir geben dir fünf Tipps, wie du trotzdem loslassen und deine Anpassungsfähigkeit trainieren kannst.
1Sorge für Ausgleich
Belastende Erlebnisse und einschneidende Veränderungen zu verarbeiten, kann anstrengend sein und viel Energie verbrauchen. Vor allem dann, wenn der eigene Anpassungsprozess noch nicht hinterherkommt. Es ist also wichtig, dass du dir deine Kräfte einteilst und für ausreichend Ruhephasen sorgst. Deinem Kopf und Körper dadurch die Gelegenheit gibst, durchzuatmen und neue Energie zu tanken. Das kann ein langer Spaziergang, ein heißes Bad oder auch eine Runde Sport sein.
2Finde deinen roten Faden
Wenn sich scheinbar alles um dich herum verändert, kann es helfen, dich auf das zu konzentrieren, was du kennst und was bleibt. Das können zum Beispiel vertraute Menschen sein, die du triffst oder aber bestimmte Alltagsrituale, die du aufrechterhältst, wie das Stück Kuchen am Sonntag. Oder du suchst dir etwas, das für uns alle immer gleich ist wie die 20 Uhr-Nachrichten oder die Sonne, die jeden Morgen aufgeht. Solche Dinge können Ruhe, Struktur und einen roten Faden geben, wenn dein Leben außer Kontrolle zu geraten scheint.
3Surfe auf deinen Gefühlen
Wenn einschneidende Veränderungen oder Belastungen in unser Leben treten, können wir uns dagegen wehren und nicht wahrhaben wollen, was passiert. Auch solche Phasen darf es natürlich geben. Hilfreicher kann es aber sein, wenn du versuchst zu akzeptieren, was ist. Das heißt nicht, dass du frustriert aufgeben und dich deiner Situation ergeben musst. Akzeptieren bedeutet annehmen. Dieser Prozess kann aber dauern. Gib dir Zeit und akzeptiere auch, wenn du anfangs nur schwer akzeptieren kannst.
Übung
Gefühlssurfen
Benenne ein Gefühl, das du gerade fühlst und sag dir: „Ich fühle mich hilflos.” Vielleicht kennst du sogar den Grund für dein Gefühl: „Ich fühle mich hilflos, weil ich meinen Job verloren habe.” Und dann versuche, das Gefühl anzunehmen: „Ich fühle mich hilflos, weil ich meinen Job verloren habe und das ist okay so.” Das könnte dein persönlicher Leitsatz sein, den du wiederholst, wann immer dich das Gefühl überkommt. Lerne so, auf deinen Gefühlen zu surfen, statt gegen die Wellen anzuschwimmen. Und sei dir sicher: Wellen können unterschiedlich hoch sein, aber jede Welle geht irgendwann vorbei.
4Nimm dir Zeit für deine Sorgen
Das mag sich erst mal seltsam anhören, denn genau die Sorgen willst du ja nicht mehr haben. Es kann aber helfen, wenn du dir ganz bewusst Zeit für deine Sorgen nimmst und ihnen zuhörst – statt gegen sie anzukämpfen. Dabei gilt jedoch: Nur für eine vorher festgelegte Dauer (etwa 10-20 Minuten) und an einem vorher festgelegten Ort. Nicht länger und nicht woanders. Wie eine Art „Sorgen-Zeit”, zu der du mal alle Sorgen, Ängste und Befürchtungen durchdenkst, die dich sonst vielleicht den ganzen Tag begleiten. Sobald die Zeit abgelaufen ist, stehst du auf, lenkst dich ab und machst bewusst etwas Angenehmes. Und zwar für mindestens die gleiche Dauer.
5Hole dir Unterstützung
Wenn die depressiven Beschwerden, Ängste oder der Ärger weiter anhalten oder sogar schlimmer werden, dann kann es sinnvoll sein, dass du dir ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Rat einholst. Gemeinsam kann verstärkt nach Wegen gesucht werden, die Belastungen abzubauen oder besser mit ihnen umgehen zu lernen.
Psychologische Burnout Praxis Berlin Praxis Marcus Neuzerling, M.Sc.