Marcus Neuzerling, M.Sc.

Vergangenheit

Warum wir uns manch­mal nicht glau­ben soll­ten

Mit Glau­bens­sät­zen ist es ein biss­chen wie mit klei­nen Ange­wohn­hei­ten, die wir an uns haben: Sie blei­ben lange unbe­merkt. So hin­ter­fra­gen wir nicht, was wir da tun und stem­peln es als Nor­ma­li­tät ab. 

Bei aller Unsicht­bar­keit sind Glau­bens­sätze trotz­dem sehr mäch­tig: Sie beein­flus­sen, was wir denken, wie wir uns fühlen und schluss­end­lich auch wie wir ent­schei­den: Denn sie sind tief in unse­rer Psyche ver­wur­zelte Grund­an­nah­men, die wir über uns und das Leben haben. Und von denen wir denken, dass sie wahr sind.

Sie ent­wi­ckeln sich aus per­sön­li­chen Erfah­run­gen und Sprü­chen, die wir im Ver­lauf unse­res Lebens gehört haben: In der Kind­heit von unse­ren Eltern und Bezugs­per­so­nen oder im Erwach­se­nen­al­ter von Freund:innen, Partner:innen oder Vor­ge­setzte. Diese ver­mit­tel­ten Bilder können unsere Wahr­neh­mung beein­flus­sen und so zu festen Glau­bens­mus­tern her­an­wach­sen, die sich auto­ma­tisch abspie­len, ohne dass wir es bewusst mit­be­kom­men. 

Glau­bens­sätze: Wie sie uns stop­pen oder moti­vie­ren können

Es gibt posi­tive wie auch nega­tive Glau­bens­sätze: Ers­tere können uns rich­tig beflü­geln und dabei unter­stüt­zen, das Leben zu führen, das wir uns wün­schen. Ein Glau­bens­satz wie ​‘Ich bin gut so, wie ich bin’ ist wohl­wol­lend und gibt uns Mut. Er lässt uns und das, was wir können, in einem guten Licht erschei­nen. Doch auch neu­tra­lere For­mu­lie­run­gen wie ​‘Das Leben hat Höhen und Tiefen und das ist okay so’ werden den posi­ti­ven Glau­bens­sät­zen zuge­rech­net.

Nega­tive Glau­bens­sätze wie ​‘Ich kann nichts’ oder ​‘Ich bin es nicht wert’ geben hin­ge­gen ein nega­ti­ves Selbst­bild von uns ab. Eins, das uns klein macht und inner­lich aus­bremst.

Egal ob im Bezug auf unse­ren Selbst­wert oder Bezie­hun­gen: Wir alle halten unter­schied­li­che Glau­bens­sätze im Inne­ren fest – posi­tive als auch nega­tive. Wenn aber die nega­ti­ven Über­zeu­gun­gen über­wie­gen, können sie unsere Lebens­qua­li­tät ziem­lich ein­schrän­ken und uns vom authen­ti­schen Sein abhal­ten. 

Nega­tive Glau­bens­sätze: Wie können wir uns von ihnen befreien?

Wie viel Macht die antrai­nier­ten Denk­mus­ter über uns haben können, mag dir viel­leicht ein mul­mi­ges Gefühl geben. Doch hier kommt eine wich­tige Nach­richt: Wir sind Glau­bens­sät­zen nicht hilf­los aus­ge­lie­fert. Wir können näm­lich aktiv an ihnen arbei­ten, vor allem wenn sie uns blo­ckie­ren. Der erste Schritt lautet daher: 

1. Mach dir deine Glau­bens­sätze bewusst

Indem wir uns unsere inne­ren Über­zeu­gun­gen ver­deut­li­chen, gewin­nen wir die Macht zurück. Es hilft, wenn wir uns klar machen, dass sie nur Gedan­ken oder eine Stimme in unse­rem Kopf sind. Die ist viel­leicht ziem­lich laut, weil sie sich als ein alt­ein­ge­ses­se­nes Muster schon lange ihren Platz in unse­rem Kopf gesi­chert hat — aber sie ist nicht wir, sie ist nicht die Rea­li­tät. 

Begib dich im ersten Schritt also in die Selbst­be­ob­ach­tung, um deine Glau­bens­sätze ken­nen­zu­ler­nen: Hast du Annah­men über dich und das Leben im All­ge­mei­nen oder Über­zeu­gun­gen, die immer wie­der­keh­ren? Hier lohnt es sich vor allem in denen für dich her­aus­for­dern­den Situa­tio­nen inne zu halten und in dich hinein zu hören: Welche Annah­men triffst du hier, viel­leicht sogar immer wieder?

Denk auch zurück an Momente, in denen es dir nicht so gut ging: Wann treten diese nega­ti­ven Gedan­ken und Gefühle auf und ver­bin­dest du sie mit einer Erin­ne­rung von früher? Tau­chen in deinem Kopf Signal­wör­ter auf? Glau­bens­sätze beinhal­ten oft ver­all­ge­mei­nernde oder abso­lute Aus­sa­gen wie immer, nie, muss, keiner etc. 

2. Rea­lity Check: Wie wahr ist der Glau­bens­satz?

Wenn du dir deiner Glau­bens­sätze etwas mehr bewusst gewor­den bist, schau sie dir genau an: Wie viel Wahr­heit steckt in ihnen? Frage dich, warum du an sie glaubst. Gibt es Erfah­run­gen aus der Ver­gan­gen­heit, die erklä­ren, warum du so über dich denkst? 

Viel­leicht haben sie auch zu deinen frü­he­ren Her­aus­for­de­run­gen oder deinem ver­gan­ge­nen Erfah­rungs­schatz gepasst. Manche nega­tive Glau­bens­sätze hatten viel­leicht auch eine posi­tive Absicht: Zum Bei­spiel um uns vor Ent­täu­schung oder Schmerz zu schüt­zen. Oft ent­wi­ckeln wir uns aber weiter, wäh­rend wir noch die glei­chen Glau­bens­sätze mit uns her­um­tra­gen — und die begren­zen mög­li­cher­weise unser Selbst.

Frage dich nun: Ent­spre­chen diese Annah­men auch noch deinem heu­ti­gen Leben? Nimm dir für diesen Fak­ten­check bewusst Zeit und bleib neu­gie­rig, was sich dir zeigt. Soll­test du Schwie­rig­kei­ten haben, genü­gend “Beweise” für deine inne­ren Über­zeu­gun­gen zu finden, darfst du das als Ermu­ti­gung ver­ste­hen, den Glau­bens­satz zu wider­le­gen.

3. Glau­bens­satz posi­tiv umfor­mu­lie­ren

Sind deine alten Denk­mus­ter nun ins Wanken gekom­men? Jetzt hast du es in der Hand, sie los­zu­las­sen. Was dir das ermög­licht, ist die soge­nannte Neu­ro­plas­ti­zi­tät: Die lebens­lange Fähig­keit deines Gehirns sich durch neue Ein­drü­cke und Erfah­run­gen zu ver­än­dern. Das ist eine ziem­li­che Super­kraft, mit der wir nega­tive Glau­bens­sätze in posi­tive Affir­ma­tio­nen umwan­deln können.

Diese kannst du dir wie kleine, mut­ma­chende Glau­bens­sätze vor­stel­len, die dir helfen deine Wahr­neh­mung neu zu struk­tu­rie­ren und ein posi­ti­ves Selbst­bild auf­zu­bauen, um so Sta­bi­li­tät in dir zu finden. Dabei geht es nicht darum, sich ein “Denk doch mal posi­tiv” ein­zu­trich­tern oder ein gar unrea­lis­ti­sches Bild wie “Ich schaffe alles!” abzu­ge­ben — viel­mehr unter­stüt­zen sie uns darin, wohl­wol­len­der und lie­be­vol­ler mit uns selbst zu reden.

Wich­tig beim Aufbau deiner Affir­ma­tion ist es, dass sie deinen Werten ent­spricht und du dich gut damit iden­ti­fi­zie­ren kannst. Nur so kannst ihr auch Glau­ben schen­ken und dich im Pro­zess des Los­las­sen beglei­ten lassen. So sollte sie posi­tiv, aber auch rea­lis­tisch sein und einen Bezug zur Gegen­wart haben. Ein Bei­spiel, wie du vom nega­ti­ven Glau­bens­satz zur posi­ti­ven Affir­ma­tion gelangst: 

  • Ich muss per­fekt sein! —> Ich bin genug!
  • Ich krieg das sowieso nicht hin! —> Ich ver­traue mir!
  • Erst die Arbeit, dann das Ver­gnü­gen! —> Ich darf mir etwas gönnen!

4. Erlaube dir, neue Erfah­run­gen zu machen

Bis hier­hin bist du schon weit gekom­men! Jetzt ist es an der Zeit aus dem Kopf ins aktive Han­deln zu gehen: Denn so wich­tig es auch ist, deine posi­tive Affir­ma­tion für dich gefun­den zu haben, so wich­tig ist es auch, sie ganz prak­tisch auf einer Hand­lungs­ebene zu üben. Denn nur so kann sie eine lang­fris­tige, nach­hal­tige Ände­rung deines Ver­hal­tens bewir­ken.

Mach dich daher bereit, raus­zu­ge­hen und neue Erfah­run­gen zu sam­meln. Welche Erleb­nisse bräuchte es im Alltag, die deine alten Glau­bens­sätze wider­le­gen? Welche Erfah­run­gen können dich dabei unter­stüt­zen, deine posi­tive Affir­ma­tio­nen wirk­lich aus­zu­le­ben und in deinem Han­deln zu ver­an­kern?

Dazu kannst du Abma­chun­gen mit dir tref­fen oder kleine Vor­sätze aus­ma­chen, die dich raus aus deiner Kom­fort­zone locken. Welche das sind, ist genauso indi­vi­du­ell wie deine Affir­ma­tion. Gib dir die Frei­heit, dich neuen Situa­tio­nen zu stel­len und dich für neue Erfah­run­gen zu öffnen. Denn so kannst du in ein neues Ver­hal­ten rein­wach­sen, in dem deine alten Glau­bens­sätze gar kein Platz mehr haben. 

5. Sei gedul­dig mit dir

Nun heißt es: Üben und gedul­dig mit dir sein, denn du hast einen sehr wich­ti­gen Pro­zess ange­sto­ßen, der seine Zeit braucht. Unser Gehirn ist ein Gewohn­heits­tier und einen nega­ti­ven Glau­bens­satz, den wir Jahre lang in uns getra­gen haben, ver­schwin­det nicht von heute auf morgen.

Du musst dich also nicht schlecht oder schul­dig fühlen, wenn du dich dabei ertappst auf deine alten Glau­bens­sätze zurück­zu­fal­len. Auch das gehört dazu: Denn sobald wir in Kon­takt mit dem Außen treten, kommt auch Reso­nanz zurück, welche uns in unse­ren Denk­mus­tern her­aus­for­dern wird — und uns viel­leicht ins Stol­pern bringt. Sei in sol­chen Momen­ten freund­lich mit dir und mach dir sanft bewusst, dass du gerade etwas leis­test, auf das du stolz sein darfst. Siehe den Pro­zess gerne als ein Aben­teuer an, das dir hilft, dein authen­ti­sches Ich zu ent­de­cken.

Wenn du das Gefühl hast, dich nicht alleine deinen Glau­bens­sät­zen stel­len zu wollen, ist es wich­tig, dir psychologische Unterstützung zu suchen.

Gerne stehe ich Dir in einer Therapie in Form von Einzelsitzungen in der Sprechstunde „Online“ oder direkt vor Ort in der Praxis zur Verfügung. Wir bieten Therapieprogramme inklusive ausführlicher Anamnese sowie persönliche Einzelsitzungen nach Bedarf an.

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